Entwicklungs- und Bingungstrauma: Realität wahrnehmen
Die hier beschriebene Achtsamkeits-Übung kann dabei helfen, Triggersituationen rasch zu beenden. Sie basiert auf meiner Erfahrung in der Begleitung von Menschen mit intensiver Körperwahrnehmung in Stresssituationen. Sie ist keine Tapping-Technik – aber sie kann wunderbar ergänzen, was in EFT-Prozessen oft geschieht: die Nutzung des Körpers als Wahrheitsträger.
Diese Übung lädt zu einer bewussten Körper- bzw. Emotionswahrnehmung ein: kannst Du spüren, daß Dein Körper gerade in einem Ausnahmezustand ist?
Menschen mit Entwicklungs- oder Bindungstrauma erleben diese somatischen Erfahrungen oft so häufig, dass es für sie “normal” wirken kann, unter ihnen zu leiden. Was aber, wenn das nicht stimmt – und das Aufkommen solcher Körpersymptome uns aufzeigt, daß ein Teil von uns gerade (trotz objektiv betrachteter Sicherheit) eine akute Todesgefahr erlebt?
Auch wenn das Wort Todesangst dramatisch klingen mag: es beschreibt das erlebte Gefühl – und keine objektive Gefahr. Ein uraltes Echo, das heute liebevoll betrachtet und validiert werden darf.

A. Fokus auf Körper und die Terror-Fantasie

1. WAHRNEHMUNG: Nimm den Druck im Körper wahr, also das somatische Symptom, und setze es mit Survival gleich: etwas vermittelt Dir die (falsche) Fantasie, dass Du sterben könntest, bzw. in Lebensgefahr bist. Du merkst das nicht gedanklich, aber spürst es auf somatischer oder emotionaler Ebene ganz klar. Wenn Du das spürst, kannst Du wissen: ICH SPÜRE TODESANGST.
2. ÜBERLEGE was genau Deine unbewusste Terror-Fantasie ist, zu dieser Todesangst: warum muss Dein Organismus Dich (vor dem Tod) beschützen?
Überlege Dir das ganz genau, auch wenn es “unlogisch” erscheint – denn Dein Survival wird nicht durch Dein erwachsenes Wissen, sondern durch Deine Kind-Logik getriggert: “Wenn ich heute abend alleine bin, werde ich sterben“. “Wenn ich X nicht schaffe, werde ich es nicht überleben“.
B. Fokus auf Realität und meine Möglichkeiten darin
3. WAHRNEHMUNG: Nimm nun bewusst wahr, was WIRKLICH die Realität ist, die Du gerade sensorisch erlebst. Bspw: “ich sitze auf der Couch. Ich werde nicht zurückgerufen“. Mach Dir damit rational klar, dass gerade KEINE Lebensgefahr aktiv ist. Eine Lebensgefahr wäre zum Beispiel wenn Deine Wohnung brennen würde, wenn Du keine Luft bekommen würdest, wenn Dich jemand mit Gewalt bedrohen würde.
Deine momentane Sinneswahrnehmung ist das einzige, das nicht durch Trauma beeinflusst werden kann – alle anderen Ebenen trügen: der Körper suggeriert Dir Lebensgefahr und produziert Stress, und Dein Geist produziert dazu eine Geschichte, damit das alles kohärent wirkt.
4. ÜBERLEGE welche Handlungsmöglichkeiten Du in dieser Realität hast, die Du gerade wahrgenommen hast, und benennen konntest. Dein Körper erlebt sich noch immer in Todesangst, aber rational weisst Du, dass es keine Lebensgefahr gibt.
Handlungsmöglichkeiten könnte bspw. sein zu sitzen und zu atmen. Dir ein Essen zu machen. Spazieren zu gehen. Eine Freund:in anzurufen.

Sobald Du diese vier Schritte durchlaufen hast, sollte sich eine starke Ruhe ausbreiten: Du hast sowohl die (vorher unbenannte) Terrorfantasie, als auch Deine sensorische Realität selbst-validiert.
Hier ein Beispiel für die Situation von einem Terror-Gefühl bei (oder vor) dem Aufstehen:
- WAHRNEHMUNG: “Ich erlebe diesen enormen Druck im Magen. Ich verstehe daß es Angst oder Terror ist. Ich ordne es als “Todesangst” ein“.
- ÜBERLEGE was Deine konkrete Todesangst sein könnte. Vielleicht bleibt es unklar, dann kannst du versuchen das leicht zu fantasieren. Vielleicht führt es zu so etwas wie: “Ich wache auf und fühle mich einsam. Wenn ich einsam bin, muss ich sterben” – auch wenn das für eine:n Erwachsene:n seltsam klingt: für ein Kind würde so eine Aussage stimmen.
- WAHRNEHMUNG was gerade wirklich erlebbar ist, auf sensorischer Ebene: “Ich liege im Bett, es ist angenehm. Die Decke ist warm. Ich spüre die Matratze“.
- ÜBERLEGE welche Handlungen Dir nun real zur Verfügung stehen: “Ich könnte aufstehen und mir einen Tee machen. Ich könnte weiterschlafen. Ich könnte mich anziehen und spazieren gehen“.
Verkürzte Version
Wenn Du mit der oben genannten Methode gute Erfahrungen gemacht hast, kann diese verkürzte Fassung hilfreich sein. Sie kann auch helfen, wenn Du in einer erhöhten Drucksituation bist, in der es nicht möglich ist alle vier Punkte sensibel durchzugehen – etwa weil andere Menschen anwesend sind, oder Du unter Zeitdruck bist:
- WAHRNEHMUNG des Druckes (emotional, somatisch) als akut empfundene Überlebensgefahr. Dadurch validierst Du Deine Terror-Realität.
- ÜBERLEGE welche realen Möglichkeiten Dir jetzt zur Verfügung stehen. Dadurch validierst Du Deine erwachsene Realität.
Zusätzliche Erklärungen
- Du kannst diese Technik immer anwenden, wenn Du enormen Druck oder Terror im Körper spürst. Eine Herausforderung kann sein, sich zu erleben, diesen Druck als Todesangst einzustufen.
Vor allem wenn man sein Leben lang bereits mit diesem Körpergefühl lebt, kann es “normal” wirken das zu erleben: “das soll Todesangst sein?” Ich denke daß der Körper auf somatischer Ebene ganz klar zeigt, egal wie “gering” der Auslöser scheinen mag: ein verpasster Anruf, eine verspäteter Bus, weil jemand betrunken ist: man braucht hierfür nicht hinterfragen WARUM man fühlt wie man fühlt. Man muss lediglich erkennen, und validieren, dass das, was man fühlt, Todesangst ist.
- Du musst für diesen Prozess nicht überlegen, was in der Kindheit vielleicht passiert ist. Es reicht Dein Fokus auf Dein jetziges Empfinden.
- Es kann schwierig sein zu verstehen, was die konkrete Todesgefahr ist, die unbewusst “fantasiert” wird. Aber es ist wichtig sie zu erkennen und benennen: “ich glaube zu sterben, weil ich keinen Spass erlebe“. Niemand sonst muss das nachvollziehen können, und auch man selber hat es nicht “rational” zu beurteilen: denn der Körper hat ja schon mitgeteilt, dass er in Todesangst sich glaubt.
